Bomber-Absturz traf beinahe Poxdorf 1944


Die Geschichte von Königsfeld für Jung und Alt

© Frank Dörfler


Warum ereignete sich ein Bomber-Absturz bei Poxdorf im Jahr 1944?

Viermotoriger britischer Bomber wird mit Bomben beladen; Quelle: By Charles E. Brown [Public domain], via Wikimedia Commons

Im Jahr 1944 befand sich Deutschland im 2. Weltkrieg. Es kämpfte gleichzeitig gegen Großbritannien, Frankreich, die USA und die Sowjetunion. Große britische und amerikanische Kriegsflugzeuge griffen in diesem Krieg deutsche Städte an und warfen sehr viele Bomben auf sie ab. Man nennt diese großen Flugzeuge „Schwere Bomber“.

Deutsche Kampf-Flugzeuge versuchten, diese großen Bomber auf ihren Weg zu den Städten zu jagen und abzuschießen.

Deutsches Jagdflugzeug; Quelle: Kogo  CC BY-SA 2.0, via Wikimedia Commons

Deshalb nennt man diese Kampf-Flugzeuge „Jagdflugzeuge“ . Für den Nachtkampf gab es spezielle Nachtjäger. Für die Piloten der deutschen Jagdflugzeuge war der Angriff auf eine große Bomberanzahl, die man auch „Bomberstrom“ nennt, lebensgefährlich: Zum einen konnten sich die Bomber mit Maschinengewehren selbst verteidigen, zum anderen wurden sie meist von eigenen Jagdflugzeugen zum Schutz begleitet.

► Daher konnte es überall in Deutschland am Himmel zu gefährlichen Luftkämpfen kommen, in welchen getroffene Flugzeuge abstürzten.

► Genau dies geschah eines Tages im Jahr 1944 auch über dem heutigen Königsfelder Gemeindeteil Poxdorf:

Operationsplan 30./31.03.1944; Quelle: www.albvorland.de/geschichte/luftangriff/

In der Nacht vom 30. zum 31. März 1944 machten sich 772(!) britische viermotorige Schwere Bomber von Süd-England aus auf dem Weg zur Großstadt Nürnberg . Der riesige Bomberstrom wurde auf seinem Weg durch Belgien und Deutschland von deutschen Nachtjäger-Flugzeugen angegriffen. Etliche Bomber flogen schließlich auf ihrem Weg nach Nürnberg in etwa 5000 Metern Höhe über Poxdorf hinweg. Das Brummen hunderter 1600 PS starker Flugzeugmotoren riss die Poxdorfer Bevölkerung mitten in der Nacht aus dem Schlaf.

Hoch über Poxdorf kam es zu Luftkämpfen zwischen Nachtjägern und den Bordschützen in den Bombern. Im Dorf hörte man das Hämmern der Maschinengewehre der Flugzeuge. Der britische Lancaster-Bomber LL696 B-Mk2 JI-A von der 514 Squadron RAF wurde gegen 1.30 Uhr am 31. März 1944 von einem deutschen Nachtjäger in Brand geschossen und zum Abstürzen gebracht.

Laut dem Kriegstagebuch der 514 Squadron RAF handelte es sich bei dem deutschen Nachtjägerpiloten entweder um Feldwebel Emil Nonnenmacher mit seinem Nachtjäger Junkers Ju 88C-6 vom Nachtjagdgeschwader 2 oder aber um den deutschen Nachtjägerpiloten Leutnant Achim Woeste vom Nachtjagdgeschwader 3. Da jedoch ein Bericht von Feldwebel Emil Nonnenmacher vom Abschuss vorhanden ist, in dem er auch beschreibt, wie er danach über der Poxdorfer Aufschlagstelle des Schweren Bombers kreiste, ist sehr wahrscheinlich, dass er dieser Nachtjägerpilot war.

Nachdem der britische Lancaster-Bomber in Brand geschossen war, ließ dessen Pilot ihn über Poxdorf kreisen und die  7-köpfige Bomber-Besatzung verließ ihr Flugzeug mit Fallschirmen. Der führerlose brennende Bomber mit ca. 4 Tonnen Bombenlast trudelte schließlich immer tiefer auf Poxdorf zu. Die Poxdorfer Bevölkerung sah das 21 Meter lange Flugzeug mit 31 Metern Flügelspannweite auf den Kirchturm zufliegen. Der in Brand geschossene Schwere Bomber drohte auf Poxdorf abzustürzen und mitsamt seiner vollständigen Bombenladung zu explodieren.


Stürzte der Bomber auf Poxdorf ab?

Der Schmied und Mundartdichter Peter Dorsch aus Poxdorf erlebte das Ereignis als elfjähriger Junge. Er erzählt später als Erwachsener darüber folgende Geschichte:
„Flugzeugabsturz bei Poxdorf
Die Nacht vom 30. auf 31. März 1944, eine Woche vor Gründonnerstag-Karfreitag, es war eine Schreckensnacht für Poxdorf.
Eine Staffel britischer Bomber befand sich im Anflug zu einem Luftangriff auf Nürnberg. Sie wurde von deutschen Jagdflugzeugen abgefangen und angegriffen. Eine Maschine wurde angeschossen, kreiste immer tiefer, mehrmals über uns und flog inzwischen stark brennend und führerlos in geringer Höhe über die Ortschaft.
Alle Leute riefen zu Tode erschrocken: „Der nimmt doch den Kirchturm und die letzten Häuser mit! “. Zirka 200 Meter außerhalb des Dorfes schlug das Flugzeug dann auf einer kleinen Anhöhe auf und hinterließ mehrere metertiefe Krater.
Die Maschine explodierte mit ihrer eigenen Bombenlast und wurde in abertausend Teile zerrissen. Alles brannte und qualmte und die mitgeführten Bomben und Munition explodierten stundenlang. Kilometerweit waren die Trümmer in den Feldern der weiten Talmulde verstreut, die dann später in wochenlanger mühevoller Kleinarbeit von deutschen Soldaten zusammengetragen und abtransportiert wurden.
Über die Piloten, die mit Sicherheit vorher ausgestiegen waren, konnte man in den Kriegswirren nichts genaues erfahren. Es war mal die Rede, dass einer in der Nähe von Drosendorf bei Bamberg tot aufgefunden wurde. Vielleicht war er zu spät ausgestiegen und der Fallschirm hatte sich nicht mehr richtig geöffnet.
Es ist nicht auszudenken, wenn das viermotorige Ungetüm, beladen mit zentnerschweren Spreng- und große Mengen an Phosphor-Brandbomben, nur wenige Meter tiefer geflogen und in die Ortschaft gestürzt wäre.
Wenn man die Absturzstelle am nächsten Tag ansah, kann man sich gut vorstellen, dass von Poxdorf und seinen Bewohnern, die zu dem Zeitpunkt meist im Freien standen, nicht mehr viel übrig geblieben wäre.
Wir danken Gott, dass wir vor gut 50 Jahren von einer großen Katastrophe verschont geblieben sind.
Peter Dorsch“ um 1985

Der brennende Schwere Bomber flog nur knapp 5 Meter über die Kirchturmspitze hinweg. Dann schlug er auf einem Feld ca. 200m außerhalb Poxdorfs zuerst mit seinem Heck auf. Daraufhin überschlug er sich. Seine für Nürnberg vorgesehene Bombenlast (4 Tonnen!) explodierte und riss ihn in Stücke. Es muss eine gewaltige Explosion gewesen sein. Eine damals 9-jährige Poxdorferin berichtete, dass die Fensterscheiben im ganzen Ort erzitterten.

Peter Dorsch hat schon damals – drei Tage nach dem Bomberabsturz am 3. April 1944 –  seine Erlebnisse in einem Schulaufsatz verarbeitet:

Schulaufsatz von Peter Dorsch vom 3. April 1944 (Kopie); Quelle: Manfred Künzel


Wo befindet sich die Absturzstelle genau?

Wanderschild

Die Absturzstelle befindet sich direkt am Wanderweg „Gelber Königsfelder Kapellenweg“ am Ortausgang von Poxdorf in Richtung Königsfeld. Das Feld liegt genau gegenüber dem Aussiedlerhof der Familie Böhm.

Quelle: Frank Dörfler, erstellt mit BayernAtlas


Kann man heute noch etwas erkennen?

Nein, gar nichts mehr. Wie ja Peter Dorsch oben erzählte, wurde die Absturzstelle nach dem Absturz von der deutschen Armee aufgeräumt. Alle technische Teile wurden aus den Trümmern geborgen und zur Untersuchung mitgenommen. Was an Überresten übrig blieb, verwertete die Bevölkerung. Dabei handelte es sich um Metall- und Plexiglasteile, an welchen in der damaligen Kriegszeit großer Mangel herrschte.

Die metertiefen Absturz-Krater sind durch die jahrzehntelange landwirtschaftliche Nutzung des Feldes eingeebnet worden.

Kleinere (Metall-)Teile konnte der Hobby-Archäologie Manfred Künzel in den vergangenen Jahrzehnten noch bergen. Wenn das Feld umgeackert war, ging er mit scharfen Augen und seiner Metallsonde auf Suche. Auf dem folgenden Foto zeigt Manfred Künzel seine Fundstücke von der Poxdorfer Absturzstelle bei seiner Veranstaltung „Gesprächsabend über den Flugzeugabsturz 1944 in Poxdorf“ am 11.03.2023 in der Gastwirtschaft Dorsch, Poxdorf:

Quelle: Frank Dörfler


Was wurde aus der abgesprungenen Bomberbesatzung?

Der 7-köpfigen Besatzung der Bombers LL696 JI-A gelang es, mit Fallschirmen aus ihrem brennenden Lancaster-Bomber über Poxdorf abzuspringen. Der Wind trieb sie westwärts in Richtung Bamberg.

6 Mann landeten erfolgreich und gerieten kurz darauf in deutsche Kriegsgefangenschaft: 

  • der Pilot Flying Officer (= Leutnant) Peter Hood
  • der Navigator Flight Sergeant H.J. Cosgrove
  • der Bombenschütze Flying Officer R.J.S. Wilton
  • der Bordfunker/Bordschütze Flight Sergeant V.J. Rollings
  • der Bordmechaniker Sergeant H.H. Wickson
  • der Heckschütze Technical Sergeant M.G. Lanthier

Der Fallschirm des 19-jährigen Turmschützen Sergeant Clarence Dunkin Fraser MacKenzie wurde beschädigt. Deshalb endete sein Sprung tödlich. Er wurde an der Straße zwischen Drosendorf (bei Bamberg) und Wiesengiech tot aufgefunden. Sein Fallschirm hatte ein großes Loch. Er wurde auf dem Friedhof in Memmelsdorf begraben, später überführte man ihn auf einen Soldatenfriedhof.


Wie verlief der Bomberangriff auf Nürnberg in dieser Nacht?

Der britische Bomberangriff in der Nacht vom 30. zum 31. März 1944 auf Nürnberg entwickelte sich für die Britische Luftwaffe (Royal Air Force) zu ihrem verlustreichsten Bombereinsatz während des 2. Weltkrieges.

Das britische Oberkommando (Bomber Command) hatte seinen Bomber-Besatzungen einen bewölkten Himmel über Deutschland versprochen. Dieser hätte die Bomber vor den deutschen Nachtjägern geschützt. In Wirklichkeit fanden sie aber über Deutschland einen weitgehend sternenklaren Nachthimmel mit Mondschein vor. So waren sie für die Nachtjäger gut sichtbar.

Außerdem gelang es den bis in den Großraum Nürnberg durchgekommenen Bombern mit den damaligen technischen Möglichkeiten nicht, die Nürnberger Innenstadt als Ziel zu finden. Dazu muss man auch wissen, dass in von Bombern bedrohten deutschen Städten sämtliches Licht abgeschaltet wurde. Die Landschaft unter den Bombern war also dunkel. Der Bomberstrom bombardierte deshalb schließlich nicht Nürnberg, sondern die benachbarte Kleinstadt Lauf an der Pegnitz


Wie ging der 2. Weltkrieg aus?

Deutschland wurde in den 2. Weltkrieg verwickelt, als der damalige deutsche Kanzler Adolf Hitler im Jahr 1939 damit begann, unser Nachbarland Polen zu erobern.

Hitler hatte 1933 in Deutschland die Demokratie abgeschafft. Er herrschte als Diktator mit seiner Nationalsozialistische Partei (kurz: „Nazis“) ganz alleine und brutal.

Er hatte vor, in Europa mit Gewalt ein riesiges deutsches Reich zu errichten. Großbritannien und Frankreich erklärten Deutschland 1939 nach dem Angriff auf Polen den Krieg, um die Eroberungen zu stoppen. Am Anfang war Deutschland erfolgreich, doch Hitler griff auch die riesige Sowjetunion an. Weiterhin erklärte er den mächtigen USA den Krieg, nachdem diese von seinem Verbündeten Japan angegriffen worden waren. Nach 6 Jahren schwerer Kämpfe wurden Deutschland und Japan im Jahr 1945 schließlich durch die Übermacht von Feinden besiegt.

Der 2. Weltkrieg brachte großes Leid über Europa und kostete vielen Millionen Menschen das Leben.

Die Stadt Nürnberg wurde durch spätere Bombenangriffe fast völlig zerstört. Eine damals 9-jährige Poxdorferin berichtet, dass man bei den Bombenangriffen auf Nürnberg 1945 von den Anhöhen um Poxdorf aus den großen Feuerschein des brennenden Nürnberg deutlich am Horizont sehen konnte.



Was passierte mit Deutschland nach dem 2. Weltkrieg?

Nach 1945 wurde Deutschland von den Siegern aufgeteilt: Es entstand ein Westdeutschland (Bundesrepublik) – zu welchem auch unsere Gegend gehörte – und ein Ostdeutschland (DDR). Ein Teil des deutschen Gebietes im Osten ging auch verloren.

In Westdeutschland wurde die Demokratie ab 1945 erneuert, in Ostdeutschland geschah dies erst 1989. Seit dem 3. Oktober 1990 sind West- und Ostdeutschland wieder als Bundesrepublik Deutschland vereinigt (= Tag der Deutschen Einheit).

Seit dem Ende des 2. Weltkrieges leben wir Deutsche in Frieden mit unseren Nachbarländern.



 

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Quellen:

Vortrag von Herrn Manfred Künzel bei seinem „Gesprächsabend über den Flugzeugabsturz 1944 in Poxdorf“ am 11.03.2023 in der Gastwirtschaft Dorsch, Poxdorf

Vielen herzlichen Dank an Manfred Künzel für den Einblick in seine in mühevoller Recherche gesammelten Dokumente und Unterlagen!

Kriegstagebuch der 514 Squadron RAF

Albvorland.de: www.albvorland.de/geschichte/luftangriff/index.html

Wikimedia Commons: www.commons.wikimedia.org

 Klexikon – Das freie Kinderlexikon: www.klexikon.de

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