Ein „Kleinziegenfelder Tal“ an der Aufseß – Die Königsfelder Landschaft bis 1860


Die Geschichte von Königsfeld für Jung und Alt

© Frank Dörfler


Was ist das Kleinziegenfelder Tal?

Das Kleinziegenfelder Tal liegt etwa 11 km nördlich von Königsfeld. Es gehört heute zu den landschaftlich reizvollsten Tälern der Fränkische Schweiz, dem Gebiet in dem wir leben. Oft wird unsere Gegend auch Frankenjura oder Nördliche Frankenalb genannt. Im Kleinziegenfelder Tal ist eine Landschaft zu sehen, die uns an „Gebirge“ erinnert:

Große Felsen aus Kalkstein ragen an den Talhängen hervor. Sie wirken umso gewaltiger, weil um sie herum nur Wacholderbüsche auf Magerrasen wachsen. Diese Landschaftsform nennt man auch Wacholderheiden.


Warum sieht das Kleinziegenfelder Tal so aus?

Ginge es nach der Natur, so würden zwischen den Felsen die Samen von Sträuchern und Bäumen aufgehen. Innerhalb weniger Jahrzehnte wären die Felsen dann von einem dichten Wald eingewachsen.

Aber dieser Wald wächst nicht. Warum? Die Antwort ist einfach: „Schafe!“

Quelle: Nordbayerischer Kurier

Auf den Hängen des Kleinziegenfelder Tales weiden regelmäßig Schafherden. Die Schafen fressen alles sorgfältig weg, was keine Dornen hat. Dornen haben aber nur die Wacholderbüsche. Deshalb gibt es hier diese schöne Landschaft mit dem Magerrasen und den Wacholderbüschen. Diese Wacholderheiden sind also nicht natürlich entstanden, sondern künstlich. Die „Künstler“ sind: Schafe!


Gab es um Königsfeld einmal Wacholderheiden wie im „Kleinziegenfelder Tal“?

Ja – und zwar nicht nur um Königsfeld herum, sondern in der gesamten Fränkischen Schweiz. Viele Jahrhunderte lang war unsere Gegend nämlich ein Zentrum der Schafzucht in Deutschland. Das bedeutet, dass hier besonders viele Schafe gezüchtet wurden. „Um 1800 gab es auf der Nördlichen Frankenalb … 15 Großschäfereien mit durchschnittlich etwa 1000 Schafen.“ 1

Kannst du ausrechnen, wie viele Schafe es damals in der Fränkischen Schweiz in etwa insgesamt gab?


Woher wissen wir das?

► Es steht in alten Büchern. Aber auch alte Fotos zeigen uns große Schafweiden an den Stellen, wo heute Wald ist:

Quelle: Johannes Bleyer, Königsfeld


► Dieses alte Foto (oben) zeigt noch um das Jahr 1900, dass hinter der Kirche der heutige Birkenwald noch nicht bestand. An dieser Stelle war damals noch eine Schafweide mit Magerrasen. Die großen Felsen waren noch frei sichtbar. Wir hatten also damals wirklich eine Landschaft wie im „Kleinziegerfelder Tal“ an der Aufseß.


Warum züchtete man in unserer Gegend so viele Schafe?

Um das Jahr 800 errichteten die Frankenkönige einen Königshof in Königsfeld mit großen landwirtschaftlichen Gütern (= Bauerhöfen). Zur Verwaltung gaben die einzelnen Könige diese Güter zunächst in die Hände des Fürstbischofes von Würzburg, später in jene des Fürstbischofes von Bamberg, sowie an adelige Ritterfamilien ab.

Alle diese Herrscher holzten die meisten ursprünglichen Wälder auf ihren Besitz ab. Das Roden (= Fällen) der Bäume war einerseits das Zeichen für die Übernahme der Herrschaft für ein Gebiet. Andererseits sollte die gerodete Fläche von nun an Bauholz liefern und landwirtschaftlich für die Ernährung der Bevölkerung genutzt werden . So kam es, dass ab dem Mittelalter die Fränkische Schweiz ein besonders waldarmes Gebiet in Deutschland war. 2

Die ebenen gerodeten Flächen in den Tälern und auf den Höhen konnte man als Felder und Wiesen nutzen. Die abgeholzten felsigen Talhänge jedoch nicht. Sie eigneten sich damals am besten als Schafsweiden. Schafe lieferten Wolle und Fleisch, beides benötigte die Bevölkerung dringend.


Warum gibt es heute bei uns nicht mehr diese Wacholderheiden?

Die Erfindung der Dampfmaschine veränderte um das Jahr 1800 die damalige Welt. Diese Maschine wurde zum Antrieb von Dampfschiffen und Dampflokomotiven eingesetzt. Damit konnten Waren aus fernen Ländern viel einfacher und schneller die deutsche Bevölkerung erreichen.

So geschah es, dass in Deutschland auf einmal Wolle von Schafen aus Australien angeboten wurde. In Australien waren die Schafsweiden jedoch viel größer und zahlreicher als in Deutschland. Die dortigen Schafsherden waren riesig. Die australischen Schafzüchter konnten deshalb ihre Wolle billiger anbieten als deutsche Schafsbetriebe. Außerdem kamen aus Nordamerika große Mengen an günstiger Baumwolle nach Deutschland. Um das Jahr 1860 konnten die Schafbetriebe in der Fränkischen Schweiz nicht mehr mithalten und gaben die Schafzucht auf. Es gab fortan in unserer Gegend nur noch einige wenige Wanderschäfer.

Für die Besitzer der Wacholderheiden stellte sich nun die Frage, was sie ohne Schafzucht mit ihren Talhängen anfangen sollten.


Was folgte nach der Schafzucht?

Die Besitzer der Talhänge suchten nach einer Lösung, wie sie auch ohne Schafzucht mit ihren Wacholderheiden noch Geld verdienen konnten. Die Lösung fanden die meisten von ihnen in der Aufforstung der Wacholderheiden. Sie pflanzten also Bäume an, deren Holz sie fällen und verkaufen konnten. Ein besonders geeigneter Baum für die kargen Böden der Wacholderheiden war die Waldkiefer. Sie kam auf dem nährstoffarmen Boden sehr gut zurecht und wuchs als Wald gepflanzt in geraden Stämmen empor. Äste bildete sie nur oben in ihrer Krone, am unteren und mittleren Stamm wuchsen durch den Schattenwurf der Nachbarkiefern nur schwache Ästchen. Die Einheimischen nennen diese Waldkiefer-Wälder „Steckalas-Wälder“ (Stöckchen-Wälder), weil die Kiefern gerade wie „Steckala“ (Stöckchen) nach oben wuchsen. Die geraden Stämme der Waldkiefer ließen und lassen sich besonders gut an Sägewerke verkaufen. 


Welche Spuren gibt es heute noch?

Du kannst sehr leicht erkennen, ob es sich bei einem Wald in der Königsfelder Gegend um eine ehemalige Wacholderweide (Schafweide) handelt.

Auf den ehemaligen Schafweiden stehen heute fast nur gerade gewachsene Waldkiefern (Steckalas-Wald). Der Kieferwaldboden der ehemaligen Wacholderweiden ist außerdem immer noch mit Gräsern bedeckt. Er sieht also nicht braun aus, sondern zeigt immer noch Spuren des Magerrasens der Schafweide.

Steckalas-Wald entlang der Straße von Königsfeld nach Poxdorf am „Goldberg“; Quelle: Frank Dörfler

Besonders entlang der Straße von Königsfeld nach Hollfeld kannst du viele „Steckalas-Wälder“ entdecken, welche früher Schafweiden waren.


Die Ausnahme: Unser Birkenwald

Die Wacholderheide am Talhang hinter der Königsfelder Kirche konnte viel länger ihr Aussehen als Schafweide aufrecht erhalten als die anderen Talhänge in der Königsfelder Gegend. Dieser Hang wurde nach 1860 nicht mit Waldkiefern aufgeforstet. Erst um 1950 wurden am gesamten Talhang hinter der Kirche Birken gepflanzt. Der Leiter dieser Aktion („Pflanzgarten“ genannt) war Johann Taschner. Zur Erinnerung an ihn wurde passenderweise die Straße, welche am heutigen Birkenwald entlangführt, „Johann-Taschner-Straße“ benannt.


 

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